Hier ist nun der deutsche Konzertbericht zu Chester und Lincoln. Die englische Version für unser englisches Schwesterforum ist längst online, und vorab würde ich gerne etwas Grundsätzliches zu meinen Übersetzungen sagen. Denn ich werde immer mal gefragt, warum ich denn nicht eine Übersetzung durch eine App oder ChatGPT anfertigen lasse, das ginge doch viel schneller, ich könnte mir die Doppelarbeit nun wirklich sparen.
Nein, das funktioniert nicht, weder in der einen noch in der anderen Sprachrichtung. Zum einen, weil dann weder Formulierungen noch die Wortwahl meinen Schreibstil treffen, auch wenn ich den Bot vorher mit Textproben gefüttert habe. Insbesondere haben Wörter in der Zielsprache oft vielfältige Bedeutungsmöglichkeiten, und eine KI kann nicht nachempfinden, wie es mir beim Konzert ging und welches Wort meine Gefühle am besten wiedergibt. Manchmal verwende ich auch ein ganz anderes Wort, eine ganz andere Formulierung. Bei meinen etwas unwillig, aber doch neugierig durchgeführten Experimenten waren die Ergebnisse nicht zu verwerten. Selbst wenn es zwischendurch hinhaut, müsste ich letztendlich doch den Text komplett überarbeiten, was erfahrungsgemäß mehr Arbeit bedeutet, als von vornherein alles selbst zu übersetzen.
Zusätzlich entsprechen sich die beiden Versionen inhaltlich nie zu 100 %, seien es Wortspiele oder Bilder, die in der anderen Sprache so nicht funktionieren, seien es nun weggelassene oder neu hinzugefügte Anmerkungen/Erinnerungen oder auch manches, was durch verstrichene Zeit anders ausgedrückt werden muss. Eine Übersetzung stellt für mich auch immer eine Überarbeitung dar. Manches sagt sich dann anders doch besser.
Das heißt jetzt aber nicht, dass ihr beide Fassungen lesen müsst und dabei zwei unterschiedliche Erfahrungsberichte einer Person herausspringen. Ihr dürft euch also entspannen.
Im Grundsatz stimmen sie natürlich überein, denn die Erlebnisse bleiben ja in alle Ewigkeit, wie sie waren.
Eine KI kann mehr als übersetzen, kann straffen, kann die Verständlichkeit überarbeiten ... aber mir sind ein paar Unzulänglichkeiten in einem von einem Menschen verfassten Text, in dem ich diesen Menschen auch wiedererkenne und etwas über ihn erfahre, tausendmal lieber als ein perfekt glatter Text, bei dem besagter Mensch hinter einem Tool mehr oder weniger verschwindet.
Last but not least ... macht das Schreiben mir Spaß.
Und mir fehlt etwas, wenn ich hierfür keine Zeit habe, was leider in den vergangenen Jahren immer wieder vorkam. Man möchte seine Erlebnisse verarbeiten, in Worte fassen und vergleichen, wie andere das Konzert erlebt haben; das Schreiben intensiviert das Konzert noch einmal im Nachhinein, und, auch nicht zu vernachlässigen, ist so ein Bericht auch eine Gedächtnisstütze für mich selbst.
Dieses Intro war demnach auch nicht Bestandteil des englischen Review, sondern ist ganz jungfräulich.
Das war mein Wort zum Sonntag und jetzt los zu den fabelhaften diesjährigen Libera-Sommerkonzerten in Chester und Lincoln.
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Ich werde mich vorwiegend auf Lincoln beschränken, weil dieses Konzert einen wirklich vom Hocker reißen konnte. Chester war bereits sehr gut, aber Lincoln hat es noch einmal überstrahlt. Der Chorklang hier war sensationell, die Solisten hatten zwischenzeitlich an Selbstvertrauen zugelegt und lieferten traumhaft schöne Soli ab. Beide Konzerte wurden von Liam Connery dirigiert.
Ja, das war es im Grunde.
Wer also keine Lust hat, sich durch lange Berichte durchzuwühlen, kann an dieser Stelle aufhören und ins Schwimmbad gehen. Für diejenigen, denen nicht zu heiß ist, hier die Einzelheiten.
Zunächst ein Wort zu den beiden Kathedralen selbst. Als Konzerte an zwei mir noch unbekannten Orten von Libera angekündigt wurden, war ich begeistert. Auf zu neuen Ufern! Ich liebe Ely Cathedral von ganzem Herzen, aber nach mehreren Konzertjahren immer am selben Ort braucht man mal frischen Wind. Ich denke, das tut auch dem Chor gut. Chester Cathedral war zwar vor einer mittleren Ewigkeit schon einmal an der Reihe gewesen, aber für die meisten von uns, und das gilt aus gewissen Gründen nicht zuletzt für den Chor
, handelte es sich um terra incognita. Das Reisedrumherum ist ja auch immer ein essenzieller Teil eines Libera-Konzert-Trips, und diesmal hat sich dabei ein ganz wundervoller Tagesausflug nach Nordwales ergeben. Grandiose Landschaft unter, wir hatten Glück, blauem Himmel!
Rein unter dem Gesichtspunkt, welches der beiden Bauwerke mir eher liegt, hat Chester Cathedral gewonnen. Zunächst einmal fühlte ich mich beim Betreten bis hin zur Kasse an ein Labyrinth erinnert, bis man endlich im Kirchenraum landet: Gang, Ecke, noch ein Gang, um die nächste Ecke, durch den Gang, ach schon wieder eine Ecke, Kasse, Ecke, Gang - Kirche! So in dem Stil. Von Anfang an umgibt Chester Cathedral einen mit einem angenehmen sanft-rötlichen, den Eindruck der Kirche bestimmenden Farbton. Darüber hinaus ist selten etwas symmetrisch gebaut, häufig schief, es gelingt kaum ein Blick auf makellos lotrechte Architektur ... kurz gesagt: Vieles passt nicht, aber atmosphärisch passt es eben doch. Ich fühlte mich sehr willkommen dort. Die Kathedrale ist urig.
Lincoln Cathedral dagegen ist heller, strahlender, nicht nur farblich gesehen, sondern sie wirkt auch weiter und gleichzeitig etwas leer. Bei ihr hatte ich von Anfang an ein Gefühl von Distanz nach Chesters vorheriger Wärme, aber ich habe sie zugegebenermaßen auch deutlich weniger erforscht als Chester Cathedral, also - warten wir mal auf das nächste Libera-Konzert dort. Vielleicht revidiere ich diesen Eindruck dann. Unbestritten bleibt jedoch, dass Lincoln Cathedral sich als Konzertort für Libera besser eignete. Der Sound war von A - Z brillant!
In Chester wurden unsere Taschen vor dem Betreten der Kathedrale kontrolliert, und Wasserflaschen mussten entsorgt werden. Man könne Getränke in der Kathedrale kaufen. Und im Seitenschiff stand tatsächlich ein Kühlschrank, aus dem ich mich vorsichtshalber versorgte, denn bei einem Konzert möchte man niemandem einen Hustenanfall zumuten, bei dem Hustenbonbons versagen. Für unsere Karten interessierte sich dagegen mal wieder kein Mensch, stattdessen wurde uns Hilfe beim Auffinden des eigenen Platzes angeboten. Diese brauchte ich wiederum nicht, denn meinen Sitzplatz - der beste, den ich jemals hatte - kannte ich nach permanentem Vergewissern im Vorfeld und sogar noch am Konzerttag selbst sehr, sehr, sehr genau.
Denn ich hatte einfach nicht glauben können, dass mir beim offiziellen Ticketkauf der fast ganz zentrale Platz in Reihe 1 geglückt war und ich darüber hinaus noch einige weitere Konzertbesucher (nahezu) ebenso glücklich machen konnte.
Vor Oscars Willkommensansprache vom Band erhielten wir, erstmalig zumindest für mich, offizielle Sicherheitsinstruktionen vom Kirchenstab ("Im unwahrscheinlichen Fall ... "), in Lincoln folgte noch ein Gebet, und dann begann das Konzert.
TwilightEndlich, endlich live! Ich liebe dieses Lied und war dementsprechend elektrisiert, als ich von seiner Aufführung in Ely erfuhr. Die geheimnisvolle Einleitung erzeugt eine Art magisch-rätselhafte Atmosphäre, bevor der Himmel doch aufklart, indem durch ein einfaches Umschalten eines Moll- in einen Durakkord eine ruhige, heitere Stimmung den düsteren Eindruck verscheucht.
Twilight gehört zu den Stücken, auf die ich zurückgreife, wenn ich Positives brauche, und die ich in einer Playlist nie überspringe. Ich hatte mich also ganz besonders darauf gefreut, war allerdings etwas enttäuscht, dass es sich direkt um das Eingangsstück handelte, wo man sich doch oft noch im Eintauchprozess befindet. So lag es bereits hinter uns, kaum dass das Konzert begonnen hatte. "Zu früh!", schrie mein inneres Ich. Wahrscheinlich ist es aber sinnvoll so, weil die back row nicht daran beteiligt ist und erst gegen Ende des Liedes auf die Bühne trat. Auch eignet es sich gut, um das Publikum in einen entspannten Zustand zu versetzen und damit auf das Konzert einzustimmen.
Morgan und Pietro sangen die Soloparts. Morgan werde ich später noch lautstark Lob spenden, an dieser Stelle nur das: Die beiden sind ein ideales Match! Beide haben leicht hauchige, sanfte Stimmen, und deswegen kann ich mir für diese Lied keine besseren Duettpartner vorstellen. Ben Crawley, damaliger Solist des Stücks auf dem Album "Free", hatte auch diese leichte, sanfte Stimme, wenn auch etwas klarer als die von Morgan. Seine und Pietros Stimmen verbinden sich sehr gut. Hoffentlich erscheinen sie in dieser Konstellation auf dem neuen Album, aber was sollte dagegen sprechen, denn
Twilight gehört sicher zu den Neuaufnahmen.
Pietro ist ein begeisterter Libera-Sänger. So war er an beiden Abenden derjenige, der am meisten gelächelt hat, und sicher nicht nur, weil es von Liam gewünscht war, sondern aufgrund einer sichtlich echten inneren Zufriedenheit, die mich an Joe Cranitch erinnerte. Joe hatte zwar nicht so intensiv gelächelt, aber er hatte den gleichen völlig zufriedenen Ausdruck im Gesicht. Jedenfalls rief Pietro damit in mir einmal mehr die Freude wach, die er selbst ausstrahlte.
Sanctus... gefiel mir in Chester sehr. Das kam überraschend für mich, weil ich das Lied normalerweise nur mitnehme.
Diesmal erreichte es mich. Warum? Ich kann es noch nicht mal sagen. Vielleicht empfand ich es diesmal als unmittelbarer, intensiver.
Sea BirdDa ich das Juni-Konzert in Ely ausfallen lassen musste, feierten die drei neuen Lieder
Sea Bird,
The Lark's Last Song,
One Small Voice Bird ihre Premiere bei mir erst in Chester. Unter diesen gefiel
Sea Bird mir am besten und nistete sich mit seiner munteren Melodie unverzüglich als Ohrwurm bei mir ein. Das Lied lebt von seinen angenehmen Harmonien, seiner wiegenden 6/8-Rhythmik, welche perfekt die vom Wind getragene Möwe über den ebenfalls sanft wiegenden Wellen abbildet, und dem strömenden Klang des Chores. Für mich ist es ein entspanntes Wohlfühllied, bei dem aber auch die Gefahr besteht, dass ich mich nach zu häufigem Hören daran "über-hören" könnte. Mal abwarten.
Voca MeWährend eines Libera-Konzerts stelle ich mir gerne vor, den jeweiligen Song zum ersten Mal zu hören, und während des Soundchecks überlege ich gerne, welches Stück zufällig anwesende Kirchenbesucher, die nicht mit Libera vertraut sind, zu einem spontanen Konzertbesuch am Abend veranlassen würde. Oder mich selbst, vor meinem Libera-Beginn.
Mir ist bewusst, dass es sehr individuell ist, von welcher Musik man sich besonders angesprochen fühlt, aber nach Eindrücken von
Voca Me oder
Angele Dei hätte ich ohne Zögern eine Karte gekauft.
Voca Me ist halt ein Libera-Stück erster Klasse und wird, was mich betrifft, wohl nie übertroffen werden. Ich bin sehr glücklich, dass es sich so beständig im Konzertprogramm hält.
Joseph und auch Morgan hatten an beiden Abenden viel Verantwortung zu tragen. Besondere Bewunderung verdient Joseph, der gleich drei Solostücke direkt hintereinander,
Sea Bird,
Voca Me und
The Prayer, zu singen hatte, inklusive doppeltem Fitnesstraining! Den Soundcheck in Lincoln hatte ich größtenteils nicht miterlebt, weil ich nur zu der Zeit das Castle besuchen konnte (äh, ja, Libera, ich bitte um Verzeihung, das ist nicht normal!). Jedenfalls war mir deswegen trotz entsprechender Info durch andere am Abend selbst nicht präsent, dass die Vokalisen von
Voca Me und
Salva Me oben vom Lettner aus erklingen würden. Die beste Idee übrigens, auf diese Weise von den örtlichen Gegebenheiten Gebrauch zu machen mit im wahrsten Sinne des Wortes herausragender Wirkung!
Jedenfalls drehte sich Joseph nach dem letzten Ton von
Sea Bird so schnell um, dass ich dachte: "Junger Mann, streich doch erst mal deinen Applaus ein, den du so sehr verdient hast ... oh ... er rennt nach hinten, ach so, stimmt ja ...", ich erinnerte mich wieder. Es sah superlustig aus, wie Joseph davonflitzte und im Hintergrund auf der Treppe verschwand, um plötzlich auf dem Lettner wieder aufzutauchen, von wo aus er sein Publikum mit gloriosen
Voca- Me-Vokalisen beschallte. Anschließend düste er wieder zurück, um pünktlich zu seinem nächsten Solo am Platz zu sein. Wow, was für ein Arbeitspensum und ein großes Kompliment an ihn, dass er diesen Marathon ablieferte, ohne je außer Atem zu wirken.
The Prayer... hielt diesmal einen Überraschungseffekt für mich bereit: Normalerweise mache ich mir nicht viel aus
The Prayer, aber in Chester berührte es mich sehr. Die Stimmung war so friedlich, und Liam ließ der Musik viel Zeit, indem er ihr Tempo sehr ad libitum nahm. Das machte das Stück besonders intensiv.
Der Chor sang wunderschön, und Josephs geradezu erwachsen klingende Stimme ... das alles wirkte diesmal stärker auf mich ein als je zuvor. Als die Worte "Lead us to a place, guide us with your grace, give us faith, so we'll be safe" flossen die Tränen. Dies war bislang ein ziemlich hartes Jahr für mich, und die zitierte Stelle traf mich genau.
Joseph ist ein beeindruckender Sänger. Seine Stimme ist deutlich gereift, seit ich ihn das letzte Mal erlebt habe, und das hört man in allen Registern. Es ist ein wahres Vergnügen, ihm zuzuhören! Wenn er auch in Lincoln im Vergleich zu Chester ein bisschen heiser wirkte, so besitzt seine Stimme doch einen unveränderlichen Kern, der mich sehr anspricht. Die Stimme war stabil und wurde von Joseph sicher durch die Lieder geführt. Zusätzlich liegt darin ein bemerkenswerter Ernst, über den ich nur staunen kann.
O BeataEin langsames, kontemplatives und empfindsames Lied mit ganz unterschiedlichen Teilen. Interessanterweise gibt es in Roberts leider noch nie live aufgeführtem Lied
Stabat Mater eine kurze, aber markante Stelle, die in
O Beata exakt so wieder erklingt. Eine sehr schöne melodische Wendung, die Robert demnach auch gefiel.
Das war mir direkt zu Beginn ins Auge oder besser ins Ohr gefallen und hat wahrscheinlich zum Gefallen beigetragen.
Der eigentümlichste - und schönste - Teil von
O Beata ist ein an die Gregorianik angelehnter Unisono-Gesang, der schwerelos über dem musikalischen Teppich der Instrumentalbegleitung schwebt. Er wirkt mystisch und zugleich unendlich friedlich. Und wenn ich schon das Wort "unendlich" verwende - dieser Teil hätte gern deutlich länger ausfallen können.
Im weiteren Verlauf steigen die Chorharmonien strahlend auf und münden in triumphierende "Alleluia"-Rufe. Es endet mit einer Prise Dramatik gewürzt, die einen noch einmal aufhorchen lässt. Tolle Komposition, die sich mit Fug und Recht ein typisches Libera-Lied nennen darf.
Das Lied enthält ein langes und besonders in Sachen Intonation anspruchsvolles Solo, da die Melodie zwar eingängig ist, aber einige Fallstricke bereithält. In Chester wurde es von Cameron und Mitchel gesungen, in Lincoln dann nur noch von Cameron, da Mitchel zur Unzeit krank geworden war. Sehr schade. Die ganze Verantwortung ruhte heute also auf Cameron. Mir gefiel sein Gesang wunderbar, mit dieser leichtgängigen, feinen Stimme, die wie Sterne im Dunkeln funkelte.
Love Shine a LightWer den Song mag, lese die folgenden Zeilen bitte nicht, sondern springe direkt zum nächsten Lied. Libera sang es zweifellos sehr gut und mit Engagement, wen würde das auch überraschen! Aber ich kann das Stück nicht ausstehen. Ich bitte um Nachsicht bei allen, denen es gefällt, aber ich kann es nicht ändern. Die Musik ist uninteressant, der Text beliebig, vor allem aber ist es nur ein weiteres dieser oberflächlichen Ein-bisschen-Frieden-wir-sollten-alle-lieb-zueinander-sein-Für-die Massen-Lieder, die allzu gefällig sind und immer so erfolgreich beim ESC (den ich mir schon seit vielen Jahren nicht mehr antue) abschließen und die ich sowas von leid bin. Ok, Ende der Schimpftirade.
Wie viel hochwertiger ist dagegen der Text von
From a Distance! Sie zielen ja beide auf dasselbe ab, aber
From a Distance ist so viel besser geschrieben, tiefer, durchdachter. Und deswegen verlasse ich hier für einen Augenblick die Chronologie des Konzertprogramms, und es folgt ...
...
From a DistanceSo, dieser Text ist im Vergleich authentisch und echt berührend, nicht nur auf Massenwirkung aus. Er motiviert einen zum Nachdenken, weil er den Wunsch wohl fast aller Menschen trifft, dabei aber nicht verhehlt, dass es nicht mit Phrasen wie "Liebe, Frieden, gemeinsam, wir sind doch alle Geschwister" getan ist, sondern Mühe kostet. Auch erschließt sich der Sinn des Textes auch nicht sofort, was immer eine interessante Sache ist.
Freddie und Nathan sangen einfühlsame Soli. Die Stelle
"From a distance you look like my friend / Even though we are at war. / From a distance I cannot comprehend /What all this fighting's for." wühlt jedesmal in meiner Seele herum - der Chorsatz ist hier auch besonders anrührend - und in diesen Jahren ganz besonders, da ein Krieg praktisch vor unserer Haustür stattfindet und sich das immer noch wie ein irrealer Alptraum anfühlt. Denn ich hätte niemals für möglich gehalten, das in Europa zu erleben. Beim Hören hatte ich Gänsehaut über und über.
Das Lied erhielt in Chester eine sehr sprechende Beleuchtung, die mir erst im späteren Verlauf auffiel (erinnert sich jemand, ob sie während des gesamten Stücks beibehalten wurde?): Allein das Kreuz über der Bühne war angestrahlt, während der restliche Hintergrund im Dunkeln lag, und es gab keine Lichtbewegungen. Der volle Fokus lag also auf dem Kreuz. Zu dem emphatischen Gesang des Chores waren damit die Worte "God is watching you from a distance" eindrucksvoll veranschaulicht.
Zurück zur regulären Abfolge.
Salva MeMeisterhafte, glühende Salvas, gesungen von Ben, der sie in Chester aus der Frontreihe des Chores heraus sang und in Lincoln wie beschrieben oben auf dem Lettner stand. Somit hätte der Kontrast nicht größer sein können. Das war sehr spannend.
The Lark's Last SongTja ... Liszt halt, nicht wahr. Und dann auch noch der Liebestraum (3). Die Harmonik ist nicht mein Fall, und es wird zu häufig gespielt.
Josh Madine hat die Musik allerdings mit einem sehr gelungenen Text und Libera-Arrangement versehen. Die Worte sind nostalgisch und zugewandt. Im Konzert höre ich meist zuerst nur auf die Musik, weil man nicht immer sofort den Text versteht. So wurde mir die Bedeutung von
The Lark's Last Song erst im Nachhinein bewusst: Die Lerche mit ihrem Abgesang symbolisiert jemanden, dessen Musik nicht nur zu Lebzeiten andere erfreut hat, sondern auch seinen Tod überdauert und uns bleiben wird. Robert? "The words I longed to speak to thee" sind die Schlussworte. Wahrscheinlich haben wir damals alle Joshs hingebungsvollen Text nach Robert Prizemans Tod gelesen (über den ich immer noch traurig bin; es ist unglaublich, wie sehr mich das weiter begleitet). Deswegen würde ich darauf tippen, dass er es ist, auf den Josh hier anspielt. Natürlich kann ich damit falsch liegen, aber der Text legt es schon nahe. Wie auch immer wir ihn deuten wollen, er ist jedenfalls sehr poetisch und sehr berührend. Josh hat ein Händchen für Worte.
Josephs natürlicher, geradliniger Gesang war hier erneut ein Genuss. Lange Töne hält er problemlos aus. Sehr gute Atemkontrolle ist übrigens eine Fähigkeit, die ich bei den Chester-/Lincoln-Solisten so durchgängig beobachten konnte wie bisher bei keinem anderen Libera-Konzert.
I am the DayWow! Das Stück war exquisit und auf jeden Fall ein weiterer meiner Lieblinge in Lincoln. Man muss es live hören und sehen, um seine unterschiedlichen Ebenen aufzunehmen. Da ist das geheimnisvoll Verschleierte einerseits, die ungetrübte Klarheit andererseits, was eine permanente Spannung erzeugt. Grundsätzlich ist
I am the Day ein ruhiges Lied, aber es passiert eine Menge. Der Wechsel zwischen Gesang und Flüstern schafft ein Gefühl direkten und indirekten Klangs, und man spürt geradezu das Dreidimensionale des Raums, zumal wenn unerwartet aus der back row ein einzelnes "Aaa" ertönt. Und das alles ist wohl der Grund dafür, dass ich das Lied als Aufnahme nicht halb so gern höre wie live. Ich habe das erst in Lincoln erkannt, vorher konnte ich die Gründe nie benennen. Es ist faszinierend, wie man auch nach Jahren immer noch Neues entdeckt.
Dieses ruhige Lied ist irgendwie nichts zum Ausruhen.
Die Aufführung ging mir unter die Haut. Beide Solisten, Morgan und Ben, der die finalen Vokalisen sang, waren ausgezeichnet und ihre Stimmen perfekt für das Lied. Morgan ist DER passende Solist hierfür. Bens tadellose Vokalisen und die darauf folgenden tiefen Echos verursachten Gänsehaut. Ben ist noch sehr jung (wie alt eigentlich?), aber als Solist bereits erstaunlich zuverlässig. Seine Stimme klingt schön, und er singt mit einer für sein Alter ungewöhnlich sicheren Technik. Er weiß, was er tut, und man merkt es ihm an. Seine Haltung ist ganz der Sänger: Er steht sicher, Füße ganz geerdet, bester Stand für eine gelingende Aufführung. Es hat mir sehr viel Spaß gemacht, ihm zuzuhören und auch zuzusehen. Wieder einer, dessen Zukunft ich besonders neugierig entgegensehe.
BeatiO jemine, das Gelächter im Chor!
An einer Stelle steht der Chor sich in zwei Gruppen direkt gegenüber. Zwei Jungs erlitten einen heftigen Lachanfall, weil sie sich - wie kann man denn auch so leichtsinnig sein! - gegenseitig in die Augen gesehen hatten. So lustig! In Lincoln war es ein bisschen besser. Aber nur ein bisschen. In Chester dagegen bekam ich es ernsthaft mit der Angst, sie könnten sich nicht rechtzeitig vor ihrem nächsten Einsatz beruhigen. Aber sie schafften es buchstäblich im letzten Moment. Wir kennen es: Ein Blick, ein Wort, der Rest ist Ge-----lächter. Ohne Chance, es willentlich zu beenden. Das hat auch nix mit dem Alter zu tun, wie ein einschlägiges Dinner in Ely 2022 eindrucksvoll bewies. Verantwortlich war übrigens ein Mitglied dieses Forums.
Nie wieder werde ich unbelastet an Yorkshire-Pudding denken können.
Volle zehn Minuten war kein Essen mehr möglich. Hut ab vor euch, Jungs - ihr dagegen seid Profis!
AngelNur ein normaler Muramatsu-Song, gut für mich in Zeiten, in denen ich Leichtigkeit brauche und nichts, was diese stört. Das bewährte Team Morgan und Pietro sang ein weiteres Duett, wobei diesmal Pietro begann. Das gefiel mir sehr.
Angele DeiJeeetzt kommen wir zu meinem großen Highlight des Konzerts! Das Lied habe ich auf der Reise zweieinhalb Male gehört, zunächst während Chesters Soundcheck und dann in den beiden Konzerten. Es ist Morgan wie auf den Leib geschrieben. Wobei er tatsächlich beim Soundcheck am meisten brillierte, sein Gesang war überwältigend schön und makellos. In Chester war er etwas nervös, was sich auf die Stabilität seiner Stimme auswirkte. Egal! Je nachdem kann der momentane seelische Zustand die Stimme direkt beeinflussen. Der Auftritt in Lincoln gelang wieder ausgezeichnet.
Also ja, ich kann gar nicht genug schwärmen! Bei Morgans Stimme kam mir eine Glocke in den Sinn, eine kleine mit silberhellem Ton. Aber auch eine Flöte könnte passen (wenn es unbedingt ein Musikinstrument sein muss
). Früher mal habe ich seine Stimme federleicht genannt, und das erhalte ich weiterhin aufrecht. Und Morgan hat so eine selbstverständliche Art, auf der Bühne zu stehen, in sich ruhend.
Von einigen hörte ich später, er sei zu Beginn des Liedes nicht laut genug gewesen, und der Chor habe ihn übertönt. Meine Wahrnehmung war eine andere: Zunächst erklang das Intro durch den Chor. Und dann stieg Morgans Stimme, wie sich organisch daraus entwickelnd, daraus auf wie aus dem Nichts. Oder anders ausgedrückt: Es hatte etwas von einem anfänglichen Nebel, wo man zunächst nichts, dann nur schemenhaft etwas erkennt, was danach immer konkreter wird. Ich fand diese Behandlung des Liedes absolut passend. Der mystisch-verträumte Charakter des Liedes kam damit perfekt zum Ausdruck, und ich erlebte
Angele Dei noch einmal ganz neu.
Morgans Gesang streichelt meine Ohren. Seine Stimme ist ebenso weich wie klar, was sie unwiderstehlich sanft und damit auch freundlich macht. Er intoniert sauber und ohne jegliches Anzeichen von Anstrengung. Die Stimme dringt durch, ist aber niemals schrill, egal, in welche Höhen es geht. Sein Gesang und der des Chores bilden eine herrlich vollkommene Einheit, und dabei war er die ganze Zeit über herauszuhören. Über dem vollen "Illumina"-Part klang seine Stimme wie ein zierender und dabei schlichter Abschluss an der Außenseite eines (Chor-)Bandes.
Das war ein erstklassiger Auftritt aller Beteiligten, der noch immer und jedenfalls auch weiterhin in mir nachklingt - mit Sicherheit eines der Libera-Erlebnisse, die man in einem besonderen Schatzkästchen sammeln möchte.
Sacris SolemnisDas ist nicht meins, mir liegt das Original mehr. Aber es zieht einen allein schon durch den tänzerischen und gleichzeitig feierlichen Rhythmus mit, der das Lied ausmacht. Der Chor setzte dies engagiert um. Mir hat auch dieses Stück diesmal besser gefallen als sonst und Freddie's Solo besonders. Sein Stimmwechsel ist im Gang, aber die Stimme ist klar, stabil und sehr schön. Er präsentierte seinen Part ganz ruhig und schlicht und reihte sich dann ebenso schlicht wieder in den Chor ein.
One Small VoiceDer dritte Neuling im Programm war ein weiteres klassisches Stück, der langsame Satz Adagio cantabile aus Beethovens Pathétique oder mit vollem Namen Sonate Nr. 8 c-Moll, op. 13. Ich bin ja nach wie vor nicht von Liberas
Ave-Verum-Version auf Albinonis Adagio g-Moll überzeugt, aber dieser Beethoven funktioniert sehr gut für sie, weil das Original eben bereits "cantabile" ist. Daher brauchte es nur einen kleinen Schritt, um daraus ein Chorstück zu erstellen. Das Ergebnis ist ein sehr schönes Arrangement, geschrieben von Sam, mit kraftvollem, hymnischem Chorklang.
Hier freute ich mich über einen weiteren neuen Solisten, Julian, und auch er erwies sich als vielversprechend mit seinem feinfühligen Gesang. Ganz sicher keine "small voice", Julian, und falls das "all I have to sing" war, dann bist du reich!
Ave Maria... war in beiden Konzerten unter meinen drei bis vier Topplätzen. Lewis! Der Chor! Das Lied!
Die Musik ist das pure auskomponierte eindringliche Flehen. Und alle brachten dies mit Engagement zum Ausdruck. Der Chorpart war vollendet sacht, besonders gegen Ende. Wunderschön. Und Lewis ... Glückwunsch zu dieser Leistung, Lewis! Sehr große und winzig kleine Intervalle und darüber hinaus das langsame Tempo, bei dem sich kaum ein Fehler kaschieren lässt, machen das Lied wieder einmal zu einer Herausforderung. Und wie gesagt, die Melodie ist sehr herzergreifend komponiert. Lewis' Gesang hat mich komplett verzaubert. Das ganze Lied war einfach einmalig stimmungsvoll dargebracht. Was für eine schöne Stimme Lewis hat und wie geschmeidig er die melodischen Bögen gestaltete! Sein nahtloses Legato hat mich am meisten beeindruckt, weil man keinerlei Bruch, kein Absetzen hörte, sondern sich alles zusammenschmiegte, so wie es sein soll. Besonders wenn zwei Vokale zusammenstoßen wie hier von "Maria" zu "ora", muss man sehr aufpassen, dass es nicht "knackt", aber Lewis verband sie butterweich. Völliger Genuss hier!
Deswegen, Libera, ein besonderer Dank für euren traumhaften Gesang, in dem ich auf angenehmste Art versinken durfte. So ergreifend, so innig, so fesselnd.
God Only KnowsZu dem Lied habe ich nicht viel anzumerken, möchte aber ein Kompliment an Thomas loswerden! Nicht nur, dass er eine leuchtende Stimme hat, an ihm sieht man auch einmal mehr diesen bewundernswert einheitlichen Klang durch alle Register. Das ist ein so wesentlicher Aspekt sängerischer Fähigkeiten!
SingChester hat mich hier mehr mitgerissen als Lincoln, weil die Jungs in Chester fröhlicher lächelten. Ich kann dabei kaum still sitzen und vermisse mehr Bewegung dazu im Chor; es ist doch ein so lebhaftes Lied. Deswegen frage ich mich, warum verhältnismäßig wenig von ihnen kommt. Aber der Funke springt trotzdem jedesmal über, wenn sie
Sing singen.
SmileHier tat Ben sich mit einem weiteren Solo hervor. Lustig war, wie Liam ihm von unten einen lächelnden Mund demonstrierte und Ben daraufhin, *switch*, auf Lächelmodus umschaltete.
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Ich bin sehr froh darüber, dass Libera zzt. so viele Solisten trainiert. Bitte weiter so! Viele verschiedene Solisten bei einem Konzert oder auf einem Album sind mir unbedingt lieber als nur eine kleine Handvoll der ewig gleichen Solisten in fast jedem Lied. Das wird mir irgendwann langweilig. Ben Crawley ist einer meiner Libera-Lieblingssolisten und wird es auch bleiben, und auch das Album "Free" mag ich sehr, und doch dominiert er es für meinen Geschmack zu stark. Ich wehre mich auch nicht gegen die Solisten selbst, aber Abwechslung macht alles lebendiger und bringt einem auch den Chor als Ganzes näher. Sie müssen ja gar nicht durch und durch perfekt sein. Ich unterstütze es viel mehr, wenn Libera möglichst vielen Kindern eine Chance gibt (sofern sie es denn selbst wollen), und es ist superinteressant, ihre individuellen Fortschritte über die Jahre mitzuverfolgen. Nicht zuletzt tut Libera sich selbst den größten Gefallen, weil z. B. bei plötzlichen Krankheitsausfällen problemlos jemand anders einspringen kann und ein kranker Sänger ohne schlechtes Gefühl zurücktreten kann.
Die Solisten waren ausnahmslos alle gut bis hervorragend. Wirklich beeindruckend! Offenbar erhalten sie zurzeit eine exzellente Ausbildung. Ich bin selbst in Chören und mit einigen Klippen nur zu vertraut. Brüche beim Registerwechsel, das hohe Ziel, eine klangliche Einheit über alle Register hinweg zu wahren, gerade die hohen Töne gleichermaßen rund zu singen wie die einfacheren tieferen, die (natürlich kontraproduktive) Angst vor hohen Tönen. Aber abgesehen von einigen wenigen Ausreißern sangen diesmal alle Libera-Solisten nahtlos eingebundene Spitzentöne, ohne dass etwas klanglich herausfiel. Da eine ganze Reihe von ihnen, wenn nicht sogar alle, sich dabei sichtbar an eine einheitliche Technik hielten, frage ich mich, ob sie wohl alle Stimmbildung von ein und derselben bestimmten Person erhalten ...
Ganz großes Lob vor allem aber auch an den Chor! Er war phänomenal, das muss ich ganz nachdrücklich betonen! Wäre es ein Konzert ohne prominente Soli gewesen, dann hätte mir auch nichts gefehlt, weil die Chorparts so gut waren. Die Akustik in Lincoln tat das Ihre, aber Libera selbst hatte einen wunderschönen Klang: warm, golden und transparent. Auch die hohen Diskantstimmen, die sich über den Chor erhoben, waren ein Ohrenschmaus!
Es gab zahlreiche neue Moderationen, die lustig waren, uns aber auch bildeten. So lernten wir z. B., dass das Wort "libera" sich nicht nur auf ihre Musik bezieht, sondern sich auch auf ihren Alltag erstreckt. Sie seien zurzeit "free from school". Jetzt bringe ich sie aber lieber nicht auf dumme Gedanken, z. B. Schultage, an denen aber auch Libera-Proben stattfinden.
Die Sprecher waren ebenfalls alle gut. Ich greife hier nur Hal, Corey und Archie heraus. Hal fällt mir immer auf. Wenn ich an seinen ersten Auftritt, damals noch als Mini-Boy, denke, was für ein blasses, ernstes Kind da stand ... Und heute? Laute Stimme, selbstbewusstes Präsentieren, flüssiges Sprechen und zeitweise Einbau von Lachanfällen mitten im Lied.
Cory, der eine schöne Sprechstimme hat, brachte mich zum Lachen, als er und Leon die beiden Engel-Lieder angekündigten. Leon: "They are both about angels ...", "...just like us", ergänzte Cory. Und dieses "just like us" kam total staubtrocken, das war auch sehr witzig.
Zu guter Letzt möchte ich noch Archie erwähnen, der die letzte und auch sehr gut gesprochene Ansprache hielt. Er zählt zu den Mini-Boys und stand meistens vorne am äußeren linken Rand, wodurch er noch kleiner wirkte. Er erinnerte mich an Hals erste Zeit, weil er ähnlich ernst war. Ich verdächtigte ihn wegen seines speziellen Gesichtsausdrucks sogar, Hals Bruder zu sein (womit ich nicht alleine war). Stimmt aber nicht.
Mich freut es immer, wenn die Jüngsten schon ihre Auftritte bekommen. Je jünger sie damit anfangen, desto mehr Zeit haben sie, sich zu entwickeln, Erfahrung zu sammeln und Selbstvertrauen aufzubauen. Und bei dem fast geflüsterten "I'm sorry" eines der Jungen, nachdem er sich in seiner Rede ein wenig verrannt hatte, schmolz ich dahin. Was danach kam, werden andere berichten; ich habe es leider tatsächlich nicht gehört.
Und ich finde es viel netter, wenn das Konzert nicht so ganz fehlerfrei über die Bühne geht. Wäre es sonst nicht öde?!
An jeden anderen Sprecher, den ich unerwähnt gelassen habe: Ihr wart alle sehr gut, und ich habe euch wirklich gerne zugehört.
Jetzt saß ich ja in Chester so nah an Liam, dass ich ihn eng kontrollieren konnte.
Er dirigiert sehr präzise und mit Körpereinsatz, dabei jedoch zurückhaltend genug, um nie vom Bühnengeschehen abzulenken. Er wird gerade so deutlich wie notwendig und führt die Jungs ruhig, aber glasklar durch die Musik. Ich bin überzeugt, dass er mit seiner Art allen, nicht nur den nervöseren Kindern ein beruhigendes Gefühl von Sicherheit und voller Unterstützung vermitteln kann.
Liam gab auch sein Bestes (zumindest in Chester; in Lincoln habe ich es weniger wahrgenommen), was das Lächeln während des Konzerts betrifft. Dirigenten haben deshalb zwei Hände, damit sie in der einen den Taktstock halten und mit der anderen Hand den eigenen Mund zu einem Lächelmund formen können. Immer wieder machte Liam es deutlich vor und hatte damit auch durchschlagenden Erfolg bei mir. Jedesmal lächelte ich unwillkürlich mit. Offensichtlich dirigierte er
mich an dem Abend.
Aber doch auch die Jungen, die vermutlich das tatsächliche Ziel seiner Bemühungen waren.
Und sie lächelten in der Tat, viel mehr als sonst, das war richtig schön! Sonst sind sie oft viel zu ernst! In Moskau 2018 fragte mich meine russische Nachbarin sogar, ob sie nicht lächeln
dürfen. Das war in Chester so gar nicht der Fall. Mehr davon, Jungs! Euer Lächeln tut auch eurem Publikum gut.
Eine Kritik habe ich allerdings. Liam gab den Einsatz für
Smile so schnell nach
Sing, dass es sich nach regulärem Programm und nicht wie eine Zugabe anfühlte. Er könnte sich damit mehr Zeit lassen, damit die Kinder (und auch alle anderen) ihren hochverdienten Applaus und Standing Ovation genießen können und das Publikum wiederum Libera ausgiebig genug seine Anerkennung ausdrücken kann. So kam etwas Hektik in den Schluss, und das fand ich schade.
Wenn ich bedenke, wie viele Ehemalige sich heute um Libera kümmern und wie gut sie offensichtlich miteinander zurechtkommen (denn sonst wären die Konzerte nicht derart gelungen), erfüllt mich Wärme. Nach Roberts Tod konnte dem Chor nichts Besseres passieren, als in eine so kostbare Form der bestehenden Libera family, wie sie sich ja nennen, hineinzuwachsen. Ich bin ganz sicher, dass die Jungen auch heute noch die bestmögliche Ermutigung bzw. Förderung bekommen, die man sich denken kann. Ja, das
ist kostbar!
Das war jetzt alles viel zu ernst, und es wäre mal Zeit für Unterhaltung? Dann hier, bitte:
Als die Jungs nach dem finalen Applaus die Bühne verließen, konnte sich einer von ihnen nicht entscheiden, zu welcher Seite hin er gehen sollte. Zuerst ging er nach rechts, dann entschied er sich anders, drehte sich um, wanderte einen perfekt runden 360°-Kreis
, um schließlich endgültig abzugehen - und zwar nach rechts.
In Lincoln wurde ich übrigens entweder vor der Turmführung oder als ich gegen Ende des Soundchecks kam (ich weiß es nicht mehr) an der Kasse gefragt, ob wir mit einem Bus gekommen seien, weil gerade so viele da wären, die das Konzert besuchen wollten. Worauf ich ein bisschen aus dem Nähkästchen plauderte, wie man sich via Libera so kennen lernt und Konzerte auch immer Gelegenheiten für ein internationales Wiedersehen sind.
Ich bin immer noch, auch drei Wochen nach dem englischen Review
, sehr, sehr angetan von beiden Konzerten, aber eben besonders von Lincoln. Das war ein echtes High-quality-Konzert! Ein Chor in Bestform, eine große Anzahl an guten bis sehr guten Solisten, so viele schöne Stimmen, ein fantastischer Kathedralen-Sound, ein engagiertes Orchester und die sehr gut funktionierende Zusammenarbeit innerhalb des Libera staff! Danke ein weiteres Mal (oder zwei) an alle Beteiligten, die diese Konzerte ermöglicht und zu einem runden Erlebnis gemacht haben!
Jetzt freue ich mich auf das Konzert im Sinfonie Smith Square im Dezember. Aus eigenem Antrieb und im, so glaube ich, Vollbesitz meiner geistigen Kräfte habe ich ein Galerie-Ticket gekauft. Es ist ein langgehegter Wunsch von mir, einmal ein Libera-Konzert von oben zu erleben, und da sie dort so oft auftreten, wäre es kein Beinbruch, wenn es mir von dem Platz aus ggf. einmal etwas weniger gut gefiele. Ich bin jetzt schon ganz gespannt!