Bevor "Hope" uns in wenigen Wochen voraussichtlich bis auf Weiteres mit Beschlag belegt, schiebe ich mal grade noch einen Kommentar zu einer uralten CD ein. Ich wurde um Weihnachten herum relativ gleichzeitig um fünf CDs bereichert, und "Libera" stellte sich als die interessanteste heraus, die ich zzt. auch am häufigsten höre. Wobei ich einschränkend sagen muss, dass "Angel Voices - Libera In Concert" und "Christmas In Ireland", die Teil der neuen Errungenschaften waren, außer Konkurrenz laufen, weil ich bei der ersten noch immer nicht zu Objektivität imstande bin, dadurch dass ich Libera vor allem durch Youtube-Videos aus diesem Konzert kennen gelernt habe, und die zweite als Weihnachts-CD nicht mit den anderen verglichen werden kann.
Zu "Libera":
Diese CD enthielt zwei Offenbarungen! Und s. o., die CD finde ich musikalisch sehr interessant und wirklich schön. Ein wenig hinweghören muss ich über den Hauptsolisten. Ich bin kein Fan von Liam O'Kane; mir gefällt seine Stimme nicht und auch nicht seine Art zu singen. Aber er trifft die Töne, hat einen großen Stimmumfang und eine bewegliche Stimme, und insofern und auch wegen der wunderschönen Lieder fühle ich mich nicht zu sehr beeinträchtigt. Ich will auch ganz sicher nicht seine Leistung in Frage stellen. Nur seine Stimme und wie er oft die Töne ansingt oder gestaltet ... das ist eben nicht meins. Insgeheim wünsche ich mir, Steven Geraghty würde die CD solistisch dominieren und nicht Liam O'Kane.
Salva Me
Wenn man aus der Zukunft kommt, fällt einem an dieser CD als erstes auf, wie stark später das Schlagzeug zurückgenommen wurde. Salva Me hat dadurch in meinen Augen nur gewonnen! Mit Schlagzeug werden die Lieder poppiger und irgendwie … „diesseitiger“, ohne werden sie mystischer - und Letzteres passt für mich besser zu Libera. Aber die Salvas sind wundervoll von Adam Harris gesungen. Und dabei fällt mir ein, dass ich mich hier gar nicht weiter über Salva Me grundsätzlich auslassen möchte, sondern viel lieber an anderer, angemessenerer Stelle.
Sanctus
Ist ok.
Nein, es ist ein schönes Lied und auch sehr gut gesungen. Trotzdem schafft Sanctus es bei mir nicht in die oberen Ränge. Das liegt wahrscheinlich daran, dass das Original von Pachelbel so bekannt ist und ich diesem Stück erstmalig als Kind in einer Vokalisierung durch die Swingle Singers begegnet bin. (Jetzt aber bitte nicht auf Youtube suchen, es gibt die Fassung, die ich meine, dort nicht, nur eine andere, die damit nicht verglichen werden kann). Als ich erstmalig die Libera-Version gehört habe, war es schon ein komisches Gefühl, den Sanctus-Text auf diese Musik zu hören, und das hat sich bis heute nicht ganz verflüchtigt. Und dann meine ich auch, dass es zu häufig am Start ist - dafür, dass es kein Libera-Original ist. (Man könnte doch stattdessen Salva Me …). Da kommt irgendwie alles Mögliche zusammen.
Agnus Dei
Ein extraruhiges Lied. Das ruhigste von Libera überhaupt? Dabei empfinde ich es nicht als "be-ruhigend" wie Sempiterna, sondern eben einfach nur als in besonders hohem Maße ruhig. Als ich es zum ersten Mal vollständig gehört habe, vielmehr: vollständig zu hören vorhatte, bin ich dabei eingeschlafen. Ich gebe zu, es war Abend, und ich lag im Bett. Aber den beiden Libera-Liedern davor ist das nicht geglückt, während ich dann bei Agnus Dei ziemlich sofort weg war. Geglückt ist natürlich das falsche Wort, ich wollte ja gar nicht einschlafen, sondern lediglich gemütlich der Musik lauschen; es war mein erster Libera-Tag. Aber das Entspannende an der Musik hatte ich ja schon bei den ersten Libera-Klängen, die mir zu Ohren gekommen waren, empfunden, und es war lustig, dass sich das umgehend auf diese Weise ganz praktisch bestätigte.
Agnus Dei ist das Lied, bei dem ich mit Liam O'Kanes Stimme noch am besten klarkomme.
Libera
Wenn man die Leidener Fassung vorher kannte, kommt einem der Beginn geradezu lahm vor. Aber dann wird es! Die Zwischenrufe werden hier noch zweistimmig gesungen, das gefällt mir. Schade, dass sie diese Zweistimmigkeit nicht beibehalten haben. (Obwohl Liam Connerys Stimme dadurch natürlich noch deutlicher zur Geltung kam, und zwar verdient.) Ich kann mich grade leider nicht erinnern, wie es in Vallendar und London war.
"Libera" ist die CD, auf der sich Mysterium befindet! Ein Lied, das ich von Anfang an kannte und das mich sofort gefesselt hat. Beim Hören kann ich geradezu Nachtwind spüren. Einfach ein megatolles Stück, das mit keinem anderen Libera-Lied vergleichbar ist. Absolut alleingestellt.
Die Musik hätte keinen besseren Titel bekommen können. Bzw. umgekehrt: Das Wort "Mysterium" hätte nicht besser in Musik umgesetzt werden können, und das betrifft Komposition und Arrangement gleichermaßen. Und die zeitweise unheimliche oder soll ich sagen geisterhafte Melodie, Solo und Chor, mit ihren Halbtönen ... super.
Faszinierend, wenn die Musik sich etwas beruhigt und aufatmet (ca. 2:10), auf etwas zusteuert, dabei an Spannung zunimmt (ab 2:20) und man glaubt, gleich werde man von dem Beunruhigenden erlöst, aber dann nimmt das Stück überraschend statt der erwarteten Auflösung doch wieder eine dramatische Wendung durch eine plötzlich ganz andere Harmonie (2:33), und es geht weiter mit der mysteriösen Stimmung, keine Rede von Aufatmen, hier noch nicht. Ich kann mir Folgendes dabei gut vorstellen: Man ist in Gefahr, glaubt, da vorne sei man in Sicherheit, läuft darauf zu, muss nur noch um eine Ecke herum, gleich ist es geschafft - und dann schlagartig schon wieder etwas Gruseliges oder Gefahrvolles und keineswegs die Rettung. Immerhin kommt die Erleichterung ja gegen Schluss doch noch. Aber bis dahin wird sie hinausgezögert. - Bei dem Stück wüsste ich besonders gern, was es in anderen Zuhörern hervorruft!
Anfangs hätte ich nie gedacht, dass das Stück Bestandteil eines Konzerts sein könnte. Es erschien mir zu speziell und auch schwierig, diese Stimmung live hinzukriegen. Aber da habe ich mich ja glücklicherweise komplett geirrt. Es freut mich äußerst zu lesen, wie dieses Lied live das Publikum begeistert, und ich hoffe jetzt inständig auf Ely!
Am Ende kommt noch einmal das solistische Halbtonmotiv, bei dem einem auch Jubilate in den Sinn kommen kann. Und tatsächlich schließt Jubilate sich an! Da würde mich mal interessieren, ob das Absicht war.
Jubilate ist eins der vier Lieder dieser CD, die mir noch ganz unbekannt waren und die ich mir auch extra aufgehoben und bei den Youtube-Streifzügen immer vorenthalten hatte. Eine Hymne und entsprechend feierlich. Sanftes Funkeln in der Begleitung im ersten Teil, bevor das "Jubilate" kommt. Auch ein sehr schönes Lied. Im Gesang allerdings einigermaßen kurios, wie das "t" im "Jubilate" immer hervorsticht, das finde ich durchaus etwas störend.
Nach dem schweren Mysterium ist die Stimmung in Jubilate zwar in den Soloteilen auch noch so etwas wie rätselhaft, aber insgesamt einfach positiv, sodass man bei diesem Lied wieder zur Ruhe kommen kann.
Beata Lux
Das ist die erste der genannten zwei Offenbarungen! Tolles Lied, ungewöhnlich und wunderschön! Es ist sehr geheimnisvoll und voller Spannung mit ungewöhnlicher Melodie und Harmonik und mit einigen Effekten versehen. Ich liebe es, wenn ich in einem Lied nicht vorhersehen kann, was gleich kommt, z. B. auf "um" bei "mysterium" (interessanterweise ist es ausgerechnet dieses Wort, dem so eine ganz unerwartete Harmonie unterlegt wird).
Gerne wüsste ich, was Roberts Anteil an dieser Komposition ist, aber das wird keiner je erfahren. Es ist ein Stück, das ich gerne einmal im heutigen Stil mit reduziertem Schlagzeug hören würde. Robert sollte es wirklich noch einmal aufgreifen. In einer großen Kathedrale wäre die Wirkung sicher sehr eindrucksvoll! Gerne hätte ich es mit jemand so Souveränem wie Liam Connery gehört. Die momentanen Solisten kenne ich noch nicht so gut, um mir hier jemanden genau vorstellen zu können.
Beata Lux ist, was mich betrifft, das mystischste Stück der CD - Mysterium lasse ich absichtlich außen vor, weil es so ganz eigenständig ist - und vielleicht eins der mystischsten von Libera überhaupt. (Das wäre bei Gelegenheit noch einmal eine eigene Frage wert.)
An dieser Stelle machen wir eine Pause und flechten eine kleine Turnübung ein: Wer kann das Wort „mystischste“ 3x hintereinander aussprechen, ohne hinzufallen?
Ach, Libera, du und deine Songtitel. Obwohl "lux beata" häufiger vorkommt als "beata lux", heißt es trotzdem Beata Lux. Vielleicht sollte es sich von Lux Aeterna absetzen? Na ja, ist unwichtig. Fiel mir nur auf.
Te Lucis
Bei dem Lied muss man sich erst mal zurechtfinden, welche Version wann unter welchem Titel gesungen wurde, Titel gibt es gleich drei. Das zum Thema siehe oben. Das Lied ist hier auf der CD eine nette Erholung zwischendurch. Viel mehr kann ich nicht dazu sagen, allerdings erlaube ich mir an dieser Stelle einen Ausflug zu der Fassung mit Ed wegen des gelungenen Videos (Glory To Thee), wo sie im Kreis stehen, alle nach außen gewandt, und die Kamera um sie herumfährt.
https://www.youtube.com/watch?v=48RnFU6zucU
Kann irgendein Bild besser zu einem Kanon passen?
Sancta
Der zweite Volltreffer der CD. Gleichzeitig leider auch das Lied, bei dem mir Liam O'Kanes Gesangsstil – in den Strophen - am meisten missfällt. Aber das Stück fesselt mich trotzdem. Die "Moriendo, desolatum"-Stellen singt er dann auch besser, und die gefallen mir übrigens ohnehin richtig gut, sie haben wieder so etwas Unergründliches.
Sancta ist ebenfalls sehr mystisch; ich setze es musikalisch an die Seite von Beata Lux. Auch so ein bisschen beunruhigend-aufregend (mir will grade kein vernünftige Bezeichnung einfallen). Und der Schlusston, der nach oben statt wie normalerweise erwartet nach unten geht, und die damit einhergehende andere Schlussharmonie verleihen dem Stück irgendwie noch eine Art offenes Ende, etwas Unentschiedenes, so als ob es sagen wollte: Du denkst, es ist hier zu Ende, aber es könnte doch noch etwas folgen. - Jaja, sehr subjektiv von mir so interpretiert. Wie immer halt!
Das Lied würde ich ebenfalls gerne in einem Konzert erleben!
Angelis
Das ist das vierte und letzte mir vorher ganz unbekannte Lied, und das kann ja was werden mit Angelis, Angel, Angele Dei, und Angele Dei wurde dann auch noch neulich bei einem Tweet zu Angele abgekürzt - herrje.
Erst ganz sanft, dann bewegter, dann kommt durchaus wieder etwas Mystisches ins Spiel (von dem Wort werde ich heute Nacht träumen), also sehr abwechslungsreich ist dieses Lied, aber dabei in sich friedlich, sicher, gelassen, nicht mit dieser Art unterschwelliger Unruhe, nichts, das vorantreibt, so wie bei Beata Lux oder Sancta. Ich finde Angelis auch sehr schön, aber die beiden anderen liegen mir mehr, weil sie spannender sind.
Lux Aeterna
... habe ich als In Paradisum mit Ed kennen gelernt. Ich mag das Lied auch sehr, es ist mir nur zu lang dafür, dass nicht viel passiert. Lux Aeterna hat im Unterschied zu der neueren Version eine fast einminütige, wiederum sehr mystisch herüberkommende Einleitung, bis es dann plötzlich ganz friedlich wird, wenn Adam Harris zu singen beginnt. An dem Lied gefällt mir wie bei so vielen anderen Libera-Liedern das Aufblühen im Refrain, immer mehr, bis es dann wieder in wunderschön aneinandergereihten Harmonien zurückgenommen wird.
Da der Text dafür gedacht ist, den Übergang Leben - Tod - Danach zu begleiten, halte ich diese Komposition von Robert wieder einmal für besonders gut gelungen. Die Musik zu genau diesem Text strahlt so viel inneren Frieden und Einverstandensein aus, dass man nicht weiß, wovor man sich denn ängstigen sollte.
Dies Irae
... stilistisch in einer Kategorie mit Exsultate und Gaudete, gefällt mir gut. Auch wenn ich das Gefühl habe, dass der Chor dieses "Dies irae, dies illa" im Refrain mit zusammengebissenen Zähnen gesungen haben muss. Ein Lied, das mit Kraft und Zuversicht nach vorne geht.
Sehr erfreuliche CD wieder. Und zum Ranking innerhalb meines jetzigen Bestands kann ich nur sagen: Wenn ich auf eine einsame Insel ziehen müsste und dürfte nur eine einzige Libera-CD mitnehmen, wären es "In Concert", "Peace" und "Free". Und "Libera" und "Christmas In Ireland". Leichte Entscheidung!
Fertig mit Hausaufgaben.